Die Natur als Kraftort – Balsam für Körper und Geist
Naturaufenthalte als Ausgleich zum Bürojob
Grüne Medizin ist das natürlichste Heilmittel für Körper & Geist.
Aufenthalte in der Natur sind gesund. Sie machen nicht nur den Kopf frei und bringen Klarheit, sondern sie stärken auch unseren Körper wie auch unsere Seele. Die Natur ist ein wundervoller Ort, um dem Stress des Alltags zu entfliehen und wieder zur Ruhe kommen.
Stress im Wandel der Zeit
Stress ist eine Urkraft und Überlebensfunktion, die uns Menschen bereits seit Millionen von Jahren vor Gefahr und Herausforderungen geschützt hat. Gleichzeitig ist Stress aber auch zu einer Volkskrankheit der Moderne geworden.
Die Reaktionen unseres Körpers gehen auf die Lebensumstände unserer Vorfahren zurück. Denn unsere Vorfahren waren ständig in der Gefahr, vom Säbelzahntiger gefressen zu werden. Wenn es eine Begegnung mit einem solchen Säbelzahntiger gab, löste das Stress aus. Stresshormone wurden ausgeschüttet, manche Körperfunktionen herunter- manche heraufgefahren – um die jeweilige Situation bewältigen zu können. Entweder schafften die Menschen die Flucht vor dem Raubtier, oder sie wurden angegriffen und unter Umständen sogar aufgefressen.
Allerdings sind Säbelzahntiger heute ausgestorben! Und es gibt ohnehin kaum noch Wildtiere, die uns wirklich ans Leben wollen. Da der Mensch der Neuzeit aber scheinbar das Gefühl braucht, gejagt zu werden, haben wir uns also unsere modernen Säbelzahntiger selbst erschaffen – kurz: das moderne Leben:
- das Stadtleben mit viel Lärm und Autoverkehr;
- Belastungen am Arbeitsplatz, Termin- und Leistungsdruck;
- das Gefühl, einem bestimmten Ideal entsprechen zu müssen;
- Erwartungen von Vorgesetzten, Kunden, Lehrern, Eltern, Partnern oder Freunden;
- die ständige Reizüberflutung.
Das Problem: Während unsere Vorfahren nur kurzfristig in die besagten Situationen mit dem Säbelzahntiger kamen und sich danach ausruhen und neue Kraft schöpfen konnten, sind wir Menschen der Neuzeit unseren selbst erschaffenen Säbelzahntigern sehr häufig dauerhaft ausgesetzt. Wir haben oft gar nicht die Möglichkeit, uns wie unsere Vorfahren unter einen Baum zu setzen und uns von der Stresssituation auszuruhen, da wir permanent mit Stress konfrontiert werden. Und genau das ist das Problem der Neuzeit! Wir sind gefangen in einem Käfig voll mit selbst erschaffenen Säbelzahntigern und haben es schwer, uns aus diesem Käfig voller Raubtiere zu befreien.
Heute werden Menschen insbesondere in den modernen Leistungsgesellschaften in nie gekanntem Ausmaß für Depressionen, Erschöpfung oder Burnout krankgeschrieben oder erhalten Medikamente wie Beruhigungsmittel und Psychopharmaka. Letztendlich ist eine Krankschreibung aber nur eine Aufschiebung des Problems, und die Medikamenteneinnahme dient lediglich zur Unterdrückung der Krankheitssymptome. Der Ursache der jeweiligen Erkrankung wird in den seltensten Fällen auf den Grund gegangen.
Dabei liegt das beste und nachhaltigste Mittel gegen all diese gefährlichen Wirkungen von Stress quasi direkt vor der Haustür: die Natur! Zu seinen eigenen Ursprüngen zurückzukehren und in der Natur Hilfe zu suchen, ist ein ausgesprochen preiswertes Heilmittel ohne unangenehme Nebenwirkungen.

Waldbaden als Medizin für Körper und Geist
Halten wir uns regelmäßig in der Natur auf, dann wird der Alltag leichter, und unsere Gesundheit profitiert in mehrfacher Hinsicht:
So konnte der japanische Waldmediziner und Immunologe Prof. Dr. Qing Li mit anderen Wissenschaftlern bereits seit 2004 in zahlreichen Studien zum Waldbaden (japanisch: Shinrin Yoku) die folgenden positiven Effekte von Aufenthalten im Wald auf unsere Gesundheit nachweisen:
- Senkung von Blutdruck und Pulsrate
- Abnehmende Konzentration von Stresshormonen wie Adrenalin und Kortisol im Blut
- Entspannung des Gehirns und dadurch Steigerung der Konzentrationsfähigkeit
- Nachlassen von Ängsten und innerer Unruhe
- Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens
- Stärkung der Immunabwehr durch Zunahme von Killerzellen im Blut
- Verringerung von Entzündungen und oxidativem Stress
- Verbesserung der Schlafqualität
Nach einem Tag (ca. 3-5 Stunden) im Wald sollen diese positiven Effekte sogar für eine ganze Woche anhalten. Dabei reicht es auch aus, die Zeit auf mehrere Tage in der Woche aufzuteilen, z.B. eine halbe Stunde pro Tag.
Verantwortlich für all diese gesundheitsfördernden Effekte sind unter anderem Terpene. Unter diesem Begriff werden mehrere Tausend chemische Substanzen zusammengefügt, die die Pflanzen als Duftstoffe zur Kommunikation untereinander nutzen, um zum Beispiel nützliche Insekten auf Schädlingsbefall aufmerksam zu machen oder um sich gegenseitig vor Fressfeinden zu warnen. Manche Terpene kann der Mensch riechen, manche aber auch nicht. Dennoch wirken diese – auch wenn wir sie mit unseren Sinnesorganen nicht wahrnehmen können – auf unseren Organismus.
So funktioniert Waldbaden:
Unter Waldbaden versteht man das Eintauchen in den Wald mit all seinen Sinneseindrücken, die er zu bieten hat. Man geht aufmerksam durch den Wald spazieren oder hält sich an einem ausgesuchten Ort im Wald auf und nimmt all das Wundervolle der Natur wahr und lässt diese Eindrücke ganz bewusst auf sich wirken. Dabei hast du folgende Möglichkeiten:
- Beobachte Tiere wie Vögel, Hasen, Eichhörnchen und Rehe. Halte aufmerksam Ausschau nach Käfern und anderen Kleintieren z.B. an den Baumrinden, im Gehölz oder im Gras.
- Atme tief ein und aus und sauge die natürlichen Düfte von Tannennadeln, Laub, Holz, Erde, Moos und Gräsern förmlich in dir auf.
- Lausche den Naturgeräuschen: dem Rascheln der Blätter, dem Rauschen des Walbaches, dem freudigen Vogelgezwitscher.
- Fühle die Natur: Streiche mit der Hand über Gräser, Moos, und Blätter. Umarme einen Baum und fühle die feste, raue Oberfläche des Stamms.
- Schmecke die Natur: Pflüge ein paar Früchte wie z.B. Heidelbeeren oder Walderdbeeren und genieße ihre saftige Süße.

Wenn du keinen Wald in deiner näheren Umgebung hast, dann plane einen Tag pro Woche oder ein Wochenende im Monat ein, das du im Wald verbringst. Es gibt heute bereits entsprechende Wald- und Naturreiseführer, und ein aufmerksamer Blick auf die Landkarte (z.B. die Satellitenansicht über GoogleMaps) hilft auch bei der Suche nach Waldgebieten ganz in deiner Nähe. Zudem werden vielerorts bereits Waldbaden-Kurse angeboten, in denen du an wunderschöne Naturorte geführt wirst und lernst, mit welchen kleinen Übungen du ganz bewusst und effektiv in den Wald eintauchen kannst.
Es ist aber nicht zwingend notwendig, in den Wald zu gehen, um die positiven Effekte auf unsere Gesundheit spüren zu können. Schließlich kommunizieren alle Pflanzen über Terpene. Ein ausgiebiger Spaziergang durch den Stadtpark, entlang der Felder und Wiesen oder ein Aufenthalt am Badesee im Grünen bringen ähnliche Effekte wie ein Besuch im Wald.
Insbesondere im Sommer zeigt sich die Natur von ihrer schönsten Seite und verzaubert uns mit ihrer bunten Vielfalt an Wildpflanzen und wunderschönen Blumen. Blumen vermitteln nicht nur einen freundlichen Eindruck von dem Ort, an dem sie wachsen, sondern sie sind auch unheimlich wertvoll und lebensnotwendig für viele Insekten und andere kleine Tiere. Aus diesem Grund solltest du in der wilden Natur stets darauf achten, dass du nicht wahllos alles an Blümchen, Kräutern und sonstigen Wildpflanzen zertrampelst oder abreißt, sondern die Orte, an denen du dich aufhältst mit Bedacht auswählst und nur einzelne Teile einer Pflanze vorsichtig abpflückst, damit wieder neue Blüten nachwachsen können. Genieße diese vielen kleinen Schätze der Natur stets mit Bedacht und schenke ihnen viel Wertschätzung.
Wenn du einen eigenen Garten oder einen Balkon hast, dann hauche ihm durch das Pflanzen von Bäumen, Sträuchern, Wildpflanzen, Kräutern, Obst, Gemüse und Blumen möglichst viel grünes Leben ein und erfreue deine Sinne tagtäglich an all den natürlichen Kostbarkeiten.
In der dunklen Jahreszeit, wenn es draußen kalt, nass und wenig Grün ist, dann kannst du dir die Natur auch nachhause in deine Wohn- und Arbeitsräume holen. Grüne Zimmerpflanzen, ein frischer Blumenstrauß wie auch Naturmaterialien (z.B. Holz, Bast, Tannenzapfen, Baumrinde, Zweige, getrocknete Blüten, ungeschliffene Steine) als Deko vermitteln das ganze Jahr über Naturnähe und spenden den Innenräumen mehr Lebendigkeit.
Fazit:
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Natur unserer Gesundheit und damit auch unser Wohlbefinden fördert. Wer sich häufig draußen in der Nähe von Pflanzen aufhält, stärkt seine seelische und physische Gesundheit. Im Grünen können wir tiefe innere Ruhe erleben, resilienter gegenüber Stress werden, unser Immunsystem stärken und bereits bestehende Erkrankungen lindern. Aufenthalte in der Natur sind wie Medizin für unseren Körper und unsere Seele. Und das Beste daran: Diese grüne Medizin ist rezeptfrei und kostenlos zu haben.
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Quellen:
Arvay, C.G.; Der Biophilia Effekt – Heilung aus dem Wald, Ullstein, 2017
Arvay, C.G.; Der Heilungscode der Natur, Goldmann, 2018
Robild, E.; Grüne Pausen für die Seele, Trias, 2018
Institut für Waldmedizin und Waldtherapie; Im Wald sein, https://www.im-wald-sein.com/prof-dr-qing-li-wald-medizin-forest-therapy-shinrin-yoku-website-deutsch (abgerufen am 19.05.2022)